Liebe Mitglieder, Freunde und Förderer der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin!
Das vergangene Jahr mit seinem Jubiläum 25 Jahre Deutsch-Polnischer Nachbarschaftsvertrag hat uns vor Augen geführt, wie erfolgreich sich unsere Nachbarschaft entwickelt hat, für die wir uns als Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin seit bald 50 Jahren einsetzen. Vieles, sehr vieles, was wir uns in den ersten Jahren wünschten und erträumten, wurde Wirklichkeit. Polen wurde Teil des freien Europas und es gab und gibt einen Dialog über die gemeinsame, für Polen oft schreckliche Geschichte. Wir erlebten Schritte der Verständigung als großes Geschenk, auf das wir lange gehofft hatten.
Das vergangene Jahr hat uns aber auch gezeigt, wie fragil die europäische demokratische Kultur ist. Wie wenig selbstverständlich die Achtung vor demokratischen Verfahren und demokratischen Rechten ist. Was passiert, wenn der Wille zur Konfrontation überhand nimmt, wenn mit Feindbildern, Verschwörungstheorien und historischen Widergängern eine Gesellschaft aufgehetzt und gespalten wird.
Wir haben mit unseren Nachbarn im Osten wie im Westen Vereinbarungen geschlossen, die das Zusammenleben und die Zusammenarbeit beschreiben. Sie gründen auf gemeinsamen Werten, auf der Anerkennung von demokratischen und fairen Verfahren, der Wahrung des Rechts und der Rechte von Minderheiten. Sie gründen auf dem Willen, gemeinsam nach Lösungen für Probleme und Vorhaben zu suchen und die Konfrontation zu vermeiden, Meinungsverschiedenheiten offen, ehrlich und sachlich beizulegen. Sie beruhen auf gegenseitigem Respekt und der Anerkennung der Kultur und der Völker als gleichwertig und gleichberechtigt. Sie beschreiben auch einen Verzicht auf Propaganda mit Unwahrheiten, auf autoritäre Machtdurchsetzung, sie erkennen Pluralismus, Kontroversen in Debatten, die Gewaltenteilung, den Schutz des Individuellen und des Individuums an. Das alles haben wir in Europa aus der gemeinsamen Geschichte gelernt, um ein friedliches und starkes Europa zu bauen.
Mit großer Sorge sehen wir daher die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen bei unserem polnischen Nachbarn, die so vieles, was sie sich mutig erkämpften und wir uns erhofften, in Frage stellen.
Wir wünschen uns bei keinem unserer europäischen Nachbarländer, dass ihre Bevölkerung durch „Fake news“ aufgehetzt wird, mit Feindbildern ihre Gesellschaften gespalten werden. Viele unserer polnischen Freunde fühlen sich durch den angestrebten Staatsumbau an vergangen geglaubte Zeiten erinnert.
Wir können und wollen nicht mehr schweigen, wenn wir erleben, dass viele unserer Freunde in Polen von einer wachsenden Existenzangst in der Bürgergesellschaft berichten, einer Angst vor ausgreifender Kontrolle, dem Verlust an Freiheitsgraden und der ideologischen Beeinflussung auch an den Schulen.
Fehlentwicklungen im polnischen Rechtssystem, verursacht durch die PiS-Regierung, seitdem diese im Herbst 2015 an die Macht gekommen ist, nahm unser Mitglied Dr. Peter von Feldmann, Vorsitzender Richter des Oberverwaltungsgerichts Berlin a. D. unter die Lupe. Er hat eine Analyse zusammengestellt, die es wert ist, nachgelesen zu werden.
Da ein Ende der Reformen des „guten Wandels“ durch die PiS-Regierung nicht zu erkennen ist, müssen wir von außen mit ansehen, wie in vielen gesellschaftlichen Bereichen Rückschritte stattfindet. Deshalb blicken wir mit großer Sorge aber auch mit einem Rest Zuversicht in das laufende Jahr!
Die Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin wird in ihrem Engagement nicht nachlassen! Lassen Sie uns noch mehr füreinander da sein, stärken und beleben wir die jahrzehntelangen Verbindungen zu den Städten, Gemeinden, Regionen und ihren Menschen in unserem Nachbarland. Statten wir den mit uns freundschaftlich verbundenen Gesprächs- und Kooperationspartnern Besuche ab und halten Kontakt mit ihnen. Üben wir Solidarität mit den vielen Künstlern, Kultur- und Medienschaffenden, die unter den herrschenden politischen Verhältnissen in Ungnade gefallen sind und laden wir sie zu uns nach Berlin und andernorts in Deutschland ein. Lassen wir uns von aktuell Handelnden in Politik und Zivilgesellschaft erläutern, was in Polen vor sich geht.
Dazu wird es unter den Mitgliedern und dem Freundeskreis der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin einer Kraftanstrengung bedürfen, zu der wir lange nicht herausgefordert waren. Aber vielleicht ist es jetzt eine positive Erfahrung, mitzuhelfen und zu unterstützen.
Wir laden alle Freunde und Förderer ein, bei uns mitzumachen, in den Verein einzutreten und mit eigenen Ideen und Projekten unsere Gesellschaft für und mit unseren polnischen Nachbarn weiter zu entwickeln! Den aktuellen politischen Entwicklungen wollen wir unser „Dennoch!“ entgegensetzen und zeigen, wie viel Freude das gemeinsame Engagement mit sich bringt.
Der neue Titel unseres Flyers stellt eine Momentaufnahme dar, die die augenblickliche Zerrissenheit der Beziehungen der beiden Länder versinnbildlicht. Lasst uns alles daran setzen, dass sich alsbald vieles wieder ineinander fügt und wir in absehbarer Zeit im Sinne von Willy Brandt sagen können: „Es wächst zusammen, was zusammengehört!“
Das beziehen wir auf Europa und insbesondere auf die deutsch-polnischen Nachbarschaft!
Wir wünschen Ihnen schon jetzt eine schöne Osterzeit und genießen Sie die freien Tage!
Der Vorstand der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin
Christian Schröter, Elfie Froese, Lilianna Russ, Dr. Wolfram Meyer zu Uptrup und Ingo Schuster