Der Pyrrhussieg von Andrzej Duda
Andrzej Duda verkündete in Łowicz mehrfach stolz „wir sind im Herzen von Polen! Hier ist auch das Herz Europas!“ und „hier ist Polen!“. Doch allen Sprechchören seiner Unterstützer zum Trotz: Für Duda ist dieses Ergebnis eine mittelschwere Katastrophe und eine schwere politische Niederlage.
Vor wenigen Wochen hatten die Meinungsumfragen noch seinen klaren Sieg in der ersten Runde vorhergesagt und nun schaffte er es gerade mühsam auf 43 Prozent der Stimmen. Trzaskowski hingegen holte knapp mehr als 30 Prozent und damit ein sehr gutes Ergebnis.
Im Vergleich zur letzten Präsidentschaftswahl, in der Duda den ersten Wahlgang mit 34 Prozent gewann, ist er nun, obgleich 10 Prozentpunkte stärker, in einer politisch geschwächten Position. Duda muss nun genauso um seine Wiederwahl bangen wie 2015 Komorowski.
Ein Wahlabend voller Überraschungen
Diese Wahl brachte viele Überraschungen, positive wie negative.
Die positive Überraschung: die Wahlbeteiligung lag mit ca. 63 Prozent auf einem Rekordhoch. In einem Land, in dem 2015 nur 48 Prozent zum ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl gingen, ist das eine bemerkenswerte Verbesserung.
Negative Überraschungen erlebten jedoch Władisław Kosiniak-Kamysz (PSL) und Robert Biedroń (Wiosna/Lewica), die beide jeweils nur etwas mehr als zwei Prozent der Stimmen holten. Insbesondere für Kosiniak-Kamysz ist dies ein schmerzhaftes Ergebnis, sahen die Umfragen ihn doch lange Zeit durchaus im Bereich der Zehn-Prozent-Marke.
Für Robert Biedroń ist nun klar, dass ihm das gleiche passiert ist, was in der polnischen Politik schon Janusz Palikot, Paweł Kukiz oder Ryszard Petru zustieß. Das Muster ist jedes Mal gleich: Jemand gründet öffentlichkeitswirksam eine neue Partei, holt aus dem Stand sehr gute Wahlergebnisse, versinkt dann jedoch wieder schnell in der politischen Bedeutungslosigkeit. Nun kann auch Wiosna sich endgültig in diese Liste einreihen.
Der 2019 im Umfeld der Parteigründung erfolgte mediale Hype (in etwa vergleichbar mit dem sog. Schulz-Effekt), bereits durch die Wahlen zum Europäischen Parlament deutlich gedämpft, ist nun endgültig verpufft. Was ihm da übrig blieb, war sich und seine Anhänger aufzumuntern: „Wir haben gezeigt, dass Polen nicht zwangsläufig rechts sein muss“. Bei zwei Prozent einer linken Partei gegenüber einer erdrückenden Mehrheit von Parteien und Kandidaten aus dem konservativen Milieu mutet diese Aussage fast schon kabarettistisch an.
Am wenigsten überrascht sein dürfte jedoch Andrzej Duda selbst, denn allen kampfeslustigen Parolen zum Trotz, dieses Ergebnis war absehbar. Für ihn muss klar sein: das wird kein leichter Kampf. Mit knapp drei Prozent Vorsprung hat er 2015 gewonnen, diese können ihn nun auch wieder stürzen …
Jonas Kolecki
Das Märchen der Chancengleichheit
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellte in ihrem vorläufigen Bericht zur Präsidentschaftswahl zutreffend fest, dass der öffentlich-rechtliche Fernsehsender TVP „seiner gesetzlichen Verpflichtung zu einer ausgewogenen und unparteiischen Berichterstattung nicht nachgekommen ist” und als „Kampagneninstrument für den Amtsinhaber“ mit „fremdenfeindlichen und antisemitischen Untertönen“ fungiert. Überraschend ist dies für Personen, die die Entwicklungen innerhalb der polnischen Medienlandschaft verfolgen, nicht.
Der Bericht geht weiter auf „negativen Wahlkampftaktiken“ der beiden Hauptkandidaten ein und betont „fremdenfeindliche und homophobe Rhetorik” aus der Duda-Kampagne. Die Schlagzeilen des staatlichen Fernsehsenders TVP im Anschluss an die Wahl sind exemplarisch für die Voreingenommenheit der Berichterstattung. So widmen sich diese einem Angriff auf Trzaskowski und übersäen den derzeitigen Präsident Duda mit Lob mit Schlagzeilen wie: „Warum hat Trzaskowski verloren?“; „Trzaskowski schlimmer als Komorowski“ und „Präsident der Eliten oder allen Polen?“.
Trotz einiger Beschwerden der Polonia, dass ihre Stimme im ersten Wahlgang durch Komplikatikationen mit der Briefwahl nicht ausgezählt wurde, kommt der Bericht zu dem Schluss, dass die Wahl „trotz der Rechtsunsicherheit während des Wahlprozesses professionell durchgeführt wurde“. Um Barack Obama zu zitieren: „Wahlen allein machen noch keine echte Demokratie“. Obwohl sie das sichtbarste Merkmal einer Demokratie sind, dürfen der Geist der Toleranz und einer inklusiven Gesellschaft nie vergessen werden.
Noch ist Polen nicht verloren
Zur Wahl stehen zwei Männer: Beide geboren im Jahre 1972, beide haben promoviert, beide ehemalige Abgeordnete des europäischen Parlaments, Duda ursprünglich aus Krakau, Trzaskowski aus Warschau. Persönlich unterscheiden sich die beiden Kandidaten, die zur Stichwahl stehen, nicht viel. Dennoch hat die Stichwahl am 12. Juli Implikationen, welche weit über die Wahl selbst hinausgehen werden. Es ist eine richtungsweisende Wahl zwischen einem „weiter so“ der PiS-Regierung und einem potenziellen wichtigen Veto-Spieler, welcher auch für das Ansehen Polens auf europäischer Ebene wichtig ist.
Entscheidend für den Ausgang der Wahl werden die Stimmen der Kandidaten sein, die nicht bei der Stichwahl antreten. Nach dem ersten Wahlgang muss Trzaskowski etwa 2,5 Millionen Stimmen auf Präsident Duda aufholen. Ausschlaggebend könnten hier die Stimmen des rechtspopulistischen Kandidaten Krzysztof Bosak (Konfederacja) sein, der mit 1,3 Millionen Stimmen und 6,78% der Stimmen ein ähnliches Ergebnis einfuhr wie bei der Parlamentswahl im Oktober 2019. Die Partei hat bereits bekanntgegeben, dass sie in der Stichwahl keinen der beiden Kandidaten unterstützen werde, und ermutigt Anhänger nach „ihrem Gewissen und Urteilsvermögen abzustimmen“. Statistiker haben bereits mit der Kaffeesatzleserei begonnen. So wird prognostiziert, dass Trzaskowski auf einen Großteil der Wählerstimmen von Biedroń, Holownia und Kosiniak-Kamysz bauen kann. Der Amtsinhaber Duda kann mit etwa 45 Prozent der Stimmen rechnen, was das Kopf-an-Kopf Rennen der beiden Kandidaten offenbart.
Dennoch bei etwa 5 Millionen Wählern, die sich in der Stichwahl neu zu entscheiden haben, steht Trzaskowski vor einer Herkulesaufgabe, die es innerhalb der verbleibenden Zeit bis zur Wahl am Sonntag zu bewältigen gilt.
Maciej Malinowski