Nachdem das amtliche Wahlergebnis bekannt gegeben wurde gibt es keine Zweifel mehr: Amtsinhaber Andrzej Duda wird für weitere fünf Jahre Präsident der Republik Polen bleiben. Mit ca. 51 Prozent setzte er sich klar gegenüber dem Warschauer Stadtpräsidenten Rafał Trzaskowski mit ca. 49 Prozent durch.
Der zweifelhafte Brückenbauer
Kurz nach der Bekanntgabe der Nachwahlbefragungen am 12. Juli hatte Duda Trzaskowski in den Präsidentenpalast eingeladen, um mit einem Handschlag den Wahlkampf symbolisch zu beenden. Er betonte mehrfach, dass nun alle Polen, gleich welcher politischen Orientierung, dazu aufgerufen seien, daran zu arbeiten, dass man in Polen gut leben kann.
Doch wirkt dies wenig glaubwürdig, hat er doch mehrere hunderttausend homosexuelle polnische Bürgerinnen und Bürger das Menschsein abgesprochen und sie als Ideologie, die dem Kommunismus gleiche, diffamiert.
Wäre er ehrlich, dann würde er sagen „ich bin der Präsident aller heterosexuellen, christlichen Polen“. Nichts hat dies offenkundiger gezeigt als der Umgang mit Homosexuellen. Mittlerweile wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare de facto unmöglich ist.
Homophobie ist in Polen unter der PiS Staatsräson.
Die Rückkehr zur Bigos-Kommune
Der regierenden PiS steht nun nichts mehr im Wege, um den Umbau des polnischen Staates hin zu einem autoritären Staat fortzusetzen. Was wir hier erleben, kann objektiv als die politische Russifizierung Polens gesehen werden. Vom Vorzeigemitgliedsstaat entwickelt sich Polen unter der PiS immer weiter zu einer EU-Version der Russischen Föderation.
Duda scheint sich an dieser Entwicklung nicht zu stören, ganz im Gegenteil: er befördert sie noch. Dass die polnische Gesellschaft gespalten ist, hat er richtig festgestellt. Dass die polnische Regierung und er im Amt des Präsidenten diese Entwicklung forciert haben, scheint er auszublenden.
Für die Zeit der 1970er Jahre hat sich in der Historiographie der Begriff Bigoskomunismus etabliert. Er beschreibt einen kurzen Zeitraum, in der sich das Leben der Menschen in der Volksrepublik Polen materiell erheblich verbesserte. Das war in Polen in den letzten Jahren nachweislich der Fall. Dennoch war das politische System damals wie heute autoritär und verfolgte politisch unliebsame Meinungen.
Dieser Vergleich ist natürlich überspitzt, aber dennoch skizziert er, wohin die Entwicklung in Polen führen kann.
Jonas Kolecki
Der Präsident der Alten und Unzufriedenen
Polen ist in Bezug auf Parteilinien, Geographie und Alter stark polarisiert. Während Duda im Südosten des Landes deutliche Mehrheiten errungen hat, bezieht Trzaskowski einen Großteil seiner Unterstützung im Westen und Nordwesten des Landes. Dörfer und kleine Kommunen sind gemäß den Erwartungen die Hochburgen für Duda und der regierenden PiS. Jedoch sollte man auch auf die existierende Komplexität solcher Vergleiche hinweisen.
Analysen des Umfrageverhaltens zeigen, dass die Wahlbeteiligung bei den über 60-jährigen Wählern nach wie vor die niedrigste aller Altersgruppen war. Am höchsten war die Wahlbeteiligung in der Gruppe der 50–59-Jährigen. 62% der Wähler in der Gruppe 60+ stimmten für Duda. 59% der Wähler in der Gruppe 50–59. Trzaskowski gewann alle anderen Altersgruppen.
In ganz Polen gingen etwa 36% der Stimmen in den Dörfern an Trzaskowski. Auch 44% der Wähler in Gemeinden zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnern haben ihm das Vertrauen ausgesprochen. Der Vorsprung der regierenden Partei ist also in diesen Gebieten deutlich, aber nicht überwältigend. Umgekehrt gewann Duda in Orten mit über 500.000 Einwohnern sehr solide 33%. Dennoch gilt es solche Tatsachen nuanciert zu betrachten und auf unsinnige Vergleiche, wie dem Abstimmungsverhalten der Präsidentschaftswahl in der Ukraine 2010, zu verzichten.
Ein weiterer Aspekt, den die Oppositionspartei KO aktiv vernachlässigt hat, ist die Einbeziehung des östlichen Teil Polens in seine Wahlkampfstrategie. Während Präsident Duda nicht nur seine Hochburgen bereiste, deuten die abgehaltenen Wahlkampfveranstaltungen von Trzaskowski nicht auf einen Kraftaufwand hin, um Anhänger in den Kerngebieten der PiS zu erreichen oder zu gewinnen.
Gespalten aber doch vereint
Die regierende PiS wusste, wie eng das Präsidentschaftsrennen sein würde. Eine Schlüsselstrategie bestand darin, die Wahlbeteiligung älterer Wähler durch Sicherheitsgarantien, Ausnahmen von der Warteschlange und SMS-Nachrichten über ein Notfallwarnsystem zu fördern. Absehbar war der Anstieg der Wahlbeteiligung bei den älteren Wählern höher als bei anderen Altersgruppen.
Ideen und Staatsführung der PiS-Partei zeigen starke Parallelen zu den Ideen lateinamerikanischer linker Parteien. Sie vereint wirtschaftlichen Nutzen in Form von kostspieligen Regierungsprogrammen und dem Gefühl der politischen Ermächtigung, bestimmt für benachteiligte Bevölkerungsschichten, die den Kern ihrer Wählerbasis bilden. Gleichwohl ist der gesellschaftliche Konflikt in Polen kein rein wirtschaftlicher, sondern auch kulturell geprägt.
Für die Zukunft gilt, dass die polnische Politik diese benachteiligten Menschen in den politischen Mainstream einbinden muss und sie nicht an den Rand der Gesellschaft drängen darf. Ob PiS-Anhänger oder nicht, jede Stimme zählt und diese Menschen dürfen nicht abgeschrieben werden.
Das Polen der 20er-Jahre
Dennoch gestattet es sich an eine Plattitüde zu erinnern: „Nach der Wahl ist vor der Wahl“. Dies ist auch in Polen der Fall. Die nächsten Parlamentswahlen finden 2023 statt. Bis dahin muss sich die polnische Opposition einer gründlichen Gewissensprüfung unterziehen. Vieles was sie repräsentiert, erinnert mehr an Ideen der Vergangenheit, anstatt einer Vision der Zukunft. Das gleiche gilt für die regierende PiS-Partei, die es nicht geschafft hat, breitere Bevölkerungsgruppen anzusprechen.
Deshalb beginnt bereits heute die wichtigste Periode in der polnischen Politik – der Wettbewerb um eine Million neuer, junger Wähler, die in drei Jahren zum ersten Mal wählen werden. Eine Herausforderung und eine Chance für die polnische Opposition: mehr junge Menschen in die Politik zu bringen, vor allem junge Frauen, die heutzutage noch sehr unterrepräsentiert sind.
Ist die polnische Demokratie nach dem Sieg von Duda nun dem Untergang geweiht? – Nein, aber sie steht vor ihrer größten Herausforderung in ihrer postkommunistischen Geschichte.
Maciej Malinowski
16.07.2020