Am 15. August starb in Warschau Henryk Wujec, polnischer Oppositioneller, legendärer Solidarność-Führer und Teilnehmer der Verhandlungen am Runden Tisch, Politiker und Parlamentsabgeordneter sowie Bürgerrechtsaktivist.
Als Kind überlebte er 1943 im Heimatdorf Podlesie die Aussiedlung der polnischen Bevölkerung aus der Gegend um Zamość und die nachfolgende Inhaftierung im Konzentrationslager Majdanek bei Lublin.
Der gelernte Physiker Wujec war einer der bedeutendsten Aktivisten und herausragenden Persönlichkeiten innerhalb der demokratischen Opposition in Zeiten der Volksrepublik Polen. Bereits während seines Studiums an der Universität Warschau war er Mitbegründer des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników) und Mitglied der „Solidarność“. 1976 war er Mitorganisator der Hilfsmaßnahmen für unterdrückte Fabrikarbeiter in Ursus und Radom. Er gehörte zum Redaktionskreis der Untergrundzeitschrift „Robotnik“ („Der Arbeiter“). Nach dem Ausbruch des Kriegsrechts wurde er mehrmals interniert. Ungeachtet davon, wurde er während des Kriegsrechts Sekretär des Staatsbürgerkomitees bei Lech Wałęsa. In diesem Komitee wurde das Solidarność-Programm für den runden Tisch ausgearbeitet. An der Seite von Tadeusz Mazowiecki, dem späteren Ministerpräsidenten Polens, verhandelte er über die Wiederzulassung der verbotenen Gewerkschaft „Solidarność“ Anfang 1989.
In den Jahren 1989 – 2001 war er Sejm-Abgeordneter, u. a. Vertreter der Demokratischen Union (Unia Demokratyczna) und der Freiheitsunion (Unia Wolności). In der Regierung von Jerzy Buzek fungierte Wujec als Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. 2010–2015 war er Berater für soziale Angelegenheiten beim Staatspräsidenten Bronisław Komorowski.
In seinen letzten Lebensjahren engagierte sich Henryk Wujec in der „Stiftung für Polen“. Er war auch aktiv im Internationalen Auschwitz-Rat (ab 2012) und in der Auschwitz-Birkenau-Stiftung (ab 2013). Im Jahre 2014 gehörte er zu den Gründern des Bürgerkomitees für die Solidarität mit der Ukraine (Komitet Obywatelski Solidarności z Ukrainą).
Freunde und Kollegen erinnern sich an ihn als einen Mann harter Arbeit, stets ruhig, bescheiden und immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Die Beerdigung von Henryk Wujec findet am 24. August 2020 um 15 Uhr auf dem Warschauer Militärfriedhof Powązki (Allee der Verdienten) statt. Auf Wunsch der Familie werden während der Trauerfeier Spenden für die demokratische Opposition in Belarus gesammelt.
Marcin Barcz/Maciej Malinowski