Liebe Mitglieder und Freunde der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Berlin, meine sehr geehrte Damen und Herren!
Zu allererst meinen Dank an den Chor, mit Urszula Badura-Schmidt und Jozef Wilkosinski an der Spitze, immerhin wird dieser deutsch-polnische Chor in Berlin im nächsten Jahr auch 20 Jahre alt. Ich habe mich sehr gefreut, als ich beim Deutsch-Polnischen Chor wegen des Auftritts beim Jubiläum vor einigen Monaten angefragt und ihr sofort zugesagt hattet. Danke für Euren ersten Auftritt mit dem „Gaude mater polonia“, das uns alle sehr berührt und bei vielen Zuhörern Erinnerungen an Polen geweckt hat.
Zwischen dem geschützten deutsch-polnischen Fußgängerüberweg – unserem Logo zum 30. Geburtstag – und dem offenen Schlagbaum der Blätter treibt – dem Motiv zur 35 Jahr-Feier – liegen nicht einmal fünf Jahre.
So eine Kulisse von über 200 Gästen hatte ich eigentlich nicht erwartet, wenn eine Gesellschaft im jugendlichen Alter von 35 Jahren Geburtstag feiert und die Öffentlichkeit drumherum sie langsam ernst zu nehmen beginnt. So und nicht anders ergeht es ja auch den Jusos und der Jungen Union, wenn Sie in ihren Parteien aus dem jugendlichen Alter rausgewachsen sind und Führungsaufgaben übernehmen. Gottseidank haben die Medien schon vor dem Erreichen des 35. Lebensjahres von der unserer Gesellschaft Notiz genommen.
Aber es ist nicht nur unser junges Alter, sondern dass es eine Gesellschaft wie uns überhaupt so lange gibt, ist doch ein schönes Ereignis, das man feiern sollte. Denn es gab mitunter schwere Zeiten für eine Verständigung mit dem Nachbarland Polen, die einem manchmal fast den Elan zum Weitermachen genommen hatte.
Man soll die Feste feiern wie sie fallen. Darin bestärkt wurde ich von Mitgliedern des „Jungen Kreis“, dem Nachwuchs in der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, die die Idee voller Begeisterung aufnahmen, ein 35- jährigen Bestehen des Vereins zu feiern. Also gingen wir daran, so ein Jubiläum vorzubereiten. Ich bin besonders dem „Jungen Kreis“ und seiner Sprecherin Alexandra Darul-Hagemeister dankbar, nicht locker gelassen und in dieser Sache immer wieder für Dampf gesorgt zu haben. Aber auch dem gesamten Vorstand muss ich ausdrücklich meinen Dank sagen, was wir an zahlreichen Aktivtäten gemeinsam in den zurückliegenden Jahren auf die Beine gestellt haben. Es ist schon erstaunlich, was ehrenamtliches Engagement alle zuwege bringt – ohne einen Euro des Senats.
Warum nun gerade 35 Jahre und nicht vielleicht 33,33 Jahre? Der Zufall wollte es, dass wir in dem Jahr, in dem die Grenzen zwischen Deutschland und Polen gefallen sind, wir auch 35 wurden. Das war für uns eine Zäsur und Anlass zugleich, über das bisher Erreichte einmal nachzudenken und uns auf neuen Aufgaben die uns erwarten, einzulassen. Was z. B. auch heißen könnte, in absehbarer Zeit eine engere Bindung mit dem Brandenburger Landesverband einzugehen. Was auch bedeuten kann, grenzübergreifende Aktivitäten in den Regionen mehr zu unterstützen als bisher. Der Nachbar Polen rückt immer näher, und ist Bestandteil unseres täglichen Lebens in der Metropole Berlin geworden und sorgt hier für neue Impulse.
Nun gibt es die immer wiederkehrende Diskussion, die zu jedem Jubiläum hervorgeholt wird. Dass wir doch viel älter wären und sogar schon fünfzig Jahre und mehr alt sind.
Nur das zur Klärung: Es gab einige Vorgänger-Gesellschaften, die sich Ende der 60er Jahre in ständigen Umbenennung-Prozessen bewegten. Von einer „Deutschen Gesellschaft für Kultur- und Wirtschaftsaustausch mit Polen“ über die „Gesellschaft für deutsch-polnische Verständigung“ bis hin zu einem Verein, der sich am Ende „Begegnung mit Polen“ nannte, gab es immer wieder den verzweifelten Versuch, etwas am Leben zu erhalten, was vielleicht schon politisch tot war. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich hatte mich bei den letzten Rettungsversuchen in einem Vorgängerverein zum Vorsitz überreden lassen, und musste feststellen, dass in vielen Köpfen ein Weltbild vorherrschte, was nicht meines war und auch nicht mehr in die politische Landschaft passte.
Und wenn man den Geist beschwören will, sich immer in der Nachfolge von Deutsch-Polnischen Gesellschaften zu sehen, so wären wir zum Beispiel über 90 Jahre alt. Denn am 25. Oktober 1917 wurde eine „Deutsch-Polnische Gesellschaft“ in Berlin gegründet, zu dessen Initiatoren unter anderem der Liberalkonservative Hans Delbrück, der Vordenker der sozialen Marktwirtschaft, Gustav Schmoller und der liberaldemokratische Politiker Friedrich Naumann gehörten.
Eine weniger rühmliche Episode war die Gründung einer Deutsch-Polnischen Gesellschaft am 4. November 1938 – also vor fast 70 Jahren – in Anwesenheit des polnischen Botschafters Lipski und des deutschen Botschafter in Polen von Moltke und zahlreicher Nazi-Prominenz in der Kurfürstenstr. 58 in Berlin, wo heute das Cafe Einstein zu finden ist. Zum geschäftsführenden Generalsekretär wurde ein gewisser Dr. Kleist von der Dienststelle der NSDAP für außenpolitische Fragen gewählt.
In diesem Zusammenhang muss ich die Versammelten auf ein eher trauriges Jubiläum erinnern. Ende des Jahres jährt sich eines der vielen furchtbaren Verbrechen der Nazis in Polen. In der Kleinstadt Poniatowa in der Nähe von Lublin waren unter dem Kennwort „Aktion Erntefest“ am 03. und 04. November 1943 von SS-Verbänden, der Waffen-SS und Spezialeinheiten der Polizei 14.000 Häftlinge – fast ausschließlich Juden aus den hierher verlegten Arbeitslagern des Warschauer Ghettos – umgebracht und das Lager anschließend zerstört worden. Mit dem Bürgermeister der Partnerstadt des Bezirkes Steglitz-Zehlendorf wurden vor einiger Zeit über die Errichtung eines gemeinsamen Gedenksteins für die Opfer gesprochen und über eine finanzielle Unterstützung nachgedacht. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft und der Partnerschaftsverein Steglitz-Zehlendorf werden Anfang September zu einer Spendensammlung hierfür aufrufen.
Für die Gründer der DPG Berlin im Jahre 1973 war es einfach die Notwendigkeit, dem mutigen politischen Schritt der Brandtschen Ostpolitik Rechnung zu tragen und einen neuen Anfang zu machen.
Es freut mich ganz besonders, dass Herr Peter Bender, der Vordenker dieser Politik von damals heute unter uns ist, und die Festsprache zu dem Thema „Deutschland und Polen – grenzenlos!“ halten wird.
Wir als kleine, noch unbedeutende Gesellschaft dachten wohl ähnlich, als wir bereits 1990 für ein „Europa der offenen Grenzen eintraten – auch in Richtung Osten!“ Da hieß es in einer Resolution:
„Wir brauchen ein Europa der offenen Grenzen, das Freizügigkeit im Reise- und Warenverkehr ermöglicht und somit zum Zusammen-wachsen der beiden Hälften des Kontinents beitragen kann. Gerade wir als Berliner werden uns nach der Fall der Mauer auch weiterhin dafür einsetzen, dass Grenzen nicht neuerlich trennen sondern verbinden.“
Wie immer war aller Anfang schwer, besonders in den Zeiten des Kalten Krieges. Aber aus der Gesellschaft, die sich in den Anfängen oft in den Privatwohnungen traf, ist mit den Jahren eine Deutsch-Polnische Gesellschaft in der Hauptstadt Berlin geworden, die sich über die Fülle der auf sie zukommenden Aufgaben freut, aber dies auch als eine ständige Herausforderung ansieht. Aber unsere Gesellschaft ist auch reich an Begegnungen von Menschen beider Nationen und von Deutschen untereinander, die ihre Liebe zu Polen entdeckt haben, die sich bei unseren Veranstaltungen treffen, auf Reisen sich kennen lernen oder bei der einen oder anderen Aktivitäten der Gesellschaft zu gemeinsamen Interessen finden. Apropos, zuweilen wurden wie auch zu einem Eheanbahnungsinstitut, unter den Anwesenden sind auch einige, die durch uns zueinander gefunden haben.
Ich wünsche mir, dass wir nach den atmosphärischen Störungen in den letzten Jahren, die wir mit Geduld aber auch mit Befürchtungen vor der Zukunft überstanden haben, es eine gemeinsame Zukunft geben wird, der unsere beiden Regierungen zu verlässlichen Partner in Europa werden lässt und die Menschen dadurch untereinander zu dauerhaften Freundschaften finden. Dass wir gemeinsam in Regionen und Metropolen diesseits und jenseits der nicht mehr trennenden Grenzen leben und arbeiten. Wo man nicht mehr unbedingt auseinander halten kann, was typisch deutsch und polnisch ist, und nur noch die Sprache den Unterschied deutlich macht. Das würde ich mir für die Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin zum Geburtstag wünschen.